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2016-konform, 2016konform

"2016 Konformität"

Mit 01. Jänner 2006 ist das Bundes-Behinderten-gleichstellungsgesetz (BGStG) in Kraft getreten, das ganz generell in allen Lebensbereichen die Gleichstellung von Personen mit Behinderungen regelt.

 

Dies gilt grundsätzlich auch für öffentlich zugängliche Gebäude (z.B. Geschäftslokale), wobei auf Grund einer Übergangsbestimmung die Barrierefreiheit für Gebäude erst nach dem 31.12.2015 zur Gänze erreicht sein musste.

Für Neubauten (Baubewilligung ab 1.1.2006) ist das BGStG verpflichtend. Für ältere Gebäude gilt das BGStG bis Ende 2015 nur insoweit, als eine bauliche Barriere entweder rechtswidrig (entgegen den Bauvorschriften) errichtet wurde oder der erforderliche Aufwand zur Beseitigung der Barriere

€ 5.000,00 nicht übersteigt.

Für alle beabsichtigten Um- und Neubauten gilt somit: barrierefrei bauen, auch wenn die Bauvorschriften dies nicht zwingend vorsehen! Bestehende Gebäude müssen bis 31.12.2015 möglichst (im Rahmen der Zumutbarkeit) barrierefrei sein. Die € 5000 – Grenze gilt dann nicht mehr!

Barrierefreiheit - Zivilrechtliche Ansprüche

Rechtsgrundlagen für Barrierefreiheit im privatwirtschaftlichen Bereich

 

Mit 01. Jänner 2006 ist das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG,  BGBl I Nr. 82/2005) in Kraft getreten, das ganz generell die Gleichstellung von  Personen  mit Behinderungen regelt.

 

Für Gebäude (Geschäftslokale) bzw bauliche Barrieren gibt es eine Übergangsbestimmung 

(§ 19 BGStG). 

 

§ 19 BGStG - Übergangsbestimmung

§ 19(2)  Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes hinsichtlich baulicher Barrieren im Zusammenhang mit Bauwerken, die auf Grund einer vor dem 1. Jänner 2006 erteilten Baubewilligung errichtet wurden, sind bis zum 31.Dezember 2015 nur insoweit anzuwenden, als eine bauliche Barriere rechtswidrig errichtet wurde.

 

Das bedeutet: Gebäude, die vor dem 1.1.2006 baubewilligt wurden, dürfen bis 31.12.2015 nicht-barrierefrei  bleiben, wenn sie entsprechend den  damaligen  Bestimmungen der Bauordnung (rechtskonform) errichtet wurden. Nach  dem 31.12.2015 müssen auch  diese (Alt-)Gebäude  (im Rahmen der Zumutbarkeitsgrenze)  barrierefrei sein, selbst  wenn alle (damaligen) Bauvorschriften eingehalten wurden.

 

Gebäude, für die das BGStG gilt, sind daher  bis spätestens 31.12.2015  in Bezug auf Barrierefreiheit „nachzurüsten“. Diese Verpflichtung zum „Nachrüsten“ gibt es in eingeschränkter Form bereits jetzt  auch für Altgebäude: Die Übergangsvorschriften sehen nämlich auch vor, dass Adaptierungen bis zum Betrag von  € 5000 bereits jetzt verlangt werden können. Ab 2016 gilt die Verpflichtung zur Barrierefreiheit dann betragsmäßig unbeschränkt.

 

Für Altgebäude gilt also: Adaptierungen bis € 5000 können schon jetzt verlangt werden; eine vollständige Barrierefreiheit ist im Rahmen der Zumutbarkeitsgrenze ab 2016 erforderlich.

 

Für alle  Neu-  und  Umbauten gilt  daher: Barrierefrei bauen, auch wenn die Bauvorschriften  dies nicht zwingend vorsehen! Die Betragsgrenze von € 5000 gilt ab 1.1.2016 auch bei Altbauten nicht mehr!

 

Für welche Bereiche gilt das BGStG?

Das BGStG gilt überall dort, wo es um den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen geht, die  der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (insbesondere Handel und Dienstleistungen), wenn der Bund dafür die Regelungskompetenz hat. Da dem Bund im Ergebnis die Regelungskompetenz für das gesamte  Vertragsrecht zukommt,  ist auch die gesamte Vertragsanbahnung inklusive vertraglicher Nebenpflichten wie der gefahrenfreie und ungehinderte Zugang zu Geschäftslokalen vom BGStG umfasst.

 

 

§ 2 BGStG - Geltungsbereich

§ 2.(1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten für die  Verwaltung des Bundeseinschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten.

(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten weiters für  Rechtsverhältnisseeinschließlich deren Anbahnung und Begründung  sowie für die Inanspruchnahme oderGeltendmachung von Leistungen  außerhalb eines Rechtsverhältnisses, soweit es jeweils um den Zugang  zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen geht, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, und die unmittelbare  Regelungskompetenz desBundes gegeben ist.

 

Umfasst sind daher auch  Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit öffentlich angebotenen

Gütern und Dienstleistungen (zB  Einkauf im  Supermarkt).  Wesentlich ist dabei, dass das

Angebot der Öffentlichkeit zur Verfügung steht.  Aber auch das bloße Einholen von

Informationen  (Betreten eines Geschäftslokales ohne einen Vertrag zu schließen)  und die

Nutzung von Serviceangeboten  fallen unter  den  Diskriminierungsschutz des BGStG, wenn

dem ein öffentliches Angebot zugrunde liegt.

 

Inhalt des Diskriminierungsverbotes

Aufgrund einer Behinderung darf niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden (§ 4 Abs 1 BGStG).

 

 

§ 4 Abs 1 - Diskriminierungsverbot

§ 4.(1) Auf Grund einer Behinderung darf niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden.

 

§ 5 Abs 1 und Abs 2 - Diskriminierung

§ 5.(1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche Menschen mit Behinderungen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses  Zieles angemessen und erforderlich.

 

Diese Unterscheidung in  mittelbare  (Ungleichbehandlung auf Grund einer Behinderung) und unmittelbare Diskriminierung  (zB kein barrierefreier Zugang/Treppe)  ist deswegen wichtig, weil eine unmittelbare Diskriminierung immer unzulässig ist. Eine mittelbare Diskriminierung hingegen  ist nur dann rechtswidrig, wenn es unzumutbar ist, Abhilfe zu schaffen.

 

 

Zumutbarkeitsgrenze

Ob und wieweit ein zB ein Gebäude barrierefrei zu gestalten ist, ist im Rahmen einer

Zumutbarkeitsprüfung zu beurteilen:

 

§ 6 Abs 1 u 2 BGStG - Unverhältnismäßige Belastungen

§ 6.(1) Eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von § 5 Abs. 2  liegt nicht vor, wenn die Beseitigung von Bedingungen, die eine  Benachteiligung begründen, insbesondere von Barrieren, rechtswidrig oder wegen unverhältnismäßiger Belastungen unzumutbar wäre.

(2) Bei der Prüfung, ob Belastungen unverhältnismäßig sind, sind  insbesondere zu berücksichtigen:

1. der mit der Beseitigung der die Benachteiligung begründenden  Bedingungen verbundene Aufwand,

2. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der eine Diskriminierung bestreitenden Partei,

3. Förderungen aus öffentlichen Mitteln für die entsprechenden Maßnahmen,

4. die zwischen dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes und der  behaupteten Diskriminierung vergangene Zeit,

5. die Auswirkung der Benachteiligung auf die allgemeinen  Interessen des durch dieses

Gesetz geschützten Personenkreises,

6. beim Zugang zu Wohnraum der von der betroffenen Person  darzulegende Bedarf an

der Benutzung der betreffenden Wohnung.

 

Im Rahmen dieser Zumutbarkeitsüberprüfung ist auch zu berücksichtigen, ob wenigstens versucht wurde, die Situation behinderter Personen zu verbessern. Das bedeutet konkret einerseits, dass unter Umständen auch geringere Maßnahmen als eine vollständige Barrierefreiheit ausreichen  können.  Andererseits  führt aber  die Unzumutbarkeit einer vollständigen Barrierefreiheit (also die Unzumutbarkeit des technisch Möglichen) noch nicht dazu, dass damit das Thema Barrierefreiheit überhaupt  außer Acht gelassen werden darf. Vielmehr sind sämtliche zumutbaren Maßnahmen so weit zu treffen, dass die Situation behinderter Personen möglichst verbessert wird. Rechtlich gesehen bedeutet dies, dass die vollständige Adaption zB  eines Gebäudes zwar im Einzelfall unzumutbar sein kann (zB hoher Umstellungsaufwand); dieser Umstand stellt jedoch keinen Rechtfertigungsgrund dar, gar nichts zu tun. Vielmehr muss das Ziel der Barrierefreiheit so weit wie möglich erreicht werden.

 

§ 6 Abs 3 BGStG - Unverhältnismäßige Belastungen

(3) Erweist sich die Beseitigung von Bedingungen, die eine  Benachteiligung begründen, als

unverhältnismäßige Belastung im Sinne  des Abs. 1, liegt dann eine Diskriminierung vor,

wenn verabsäumt  wurde, durch zumutbare Maßnahmen zumindest eine maßgebliche

Verbesserung der Situation der betroffenen Person im Sinne einer  größtmöglichen

Annäherung an eine Gleichbehandlung zu bewirken. Bei  der Prüfung der Zumutbarkeit ist

Abs. 2 heranzuziehen.

 

Das Ziel ist dabei eine größtmögliche Barrierefreiheit.

 

 

§ 6 Abs 5 BGStG - (Barrierefreiheit)

§ 6.  (5) Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen,  Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegen-stände, Systeme der  Informationsverarbeitung sowie andere gestaltete Lebensbereiche,  wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde  Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

 

Hier sind  neben  Gebäuden  und Anlagen auch  „Systeme der Informationsverarbeitung“ ausdrücklich  genannt; das bedeutet, dass auch ein Internetauftritt so gestaltet werden muss, dass er von einer behinderten  Person grundsätzlich ohne fremde Hilfe genutzt werden kann. Problematisch dabei ist, dass im Gesetz zwar definiert ist, was eine Behinderung ist,  dass aber kein Grad der Behinderung genannt wird:

 

 

§ 3 BGStG - Behinderung

§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung  einer nicht nur

vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder

Beeinträchtigung der  Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der

Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein  Zeitraum von mehr als

voraussichtlich sechs Monaten.

 

Die Barrierefreiheit ist daher im Zweifel für jede Art und Schwere einer Behinderung herzustellen.  So ist zB eine Website so zu gestalten, dass sie auch für sehbehinderte und blinde Personen benutzbar ist.

 

Rechtsfolgen nach dem BGStG

Das BGStG ist eine zivilrechtliche Vorschrift. Verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen sind nicht vorgesehen.  Sehr wohl können aber von allen betroffenen Personen  bei Verstößen gegen das BGStG schadenersatzrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden (§ 9 BGStG).

 

Bevor allerdings eine Klage bei Gericht eingebracht werden kann, ist zwingend ein Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt durchzuführen. Eine gerichtliche Klage ist nur zulässig, wenn nicht längstens innerhalb von 3 Monaten ab Einleitung des Schlichtungsverfahrens eine gütliche Einigung erzielt worden ist (§ 10 BGStG).

Zusätzlich kann auch  die österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation  (ÖAR; Dachverband der Behindertenverbände Österreichs)  eine  Verbandsklage auf Feststellung einer Diskriminierung aus dem Grund einer Behinderung einbringen (§ 13 BGStG).

 

Wichtig:

Weitere Klagsverbände können nicht gebildet werden.  Werden dennoch andere Vereine aktiv, so haben diese keine Klagslegitimation nach dem BGStG.  Behindertenverbände können jedoch betroffene Personen rechtlich unterstützen. Die Klage auf Schadenersatz bzw das Schlichtungsverfahren ist dann aber von der jeweiligen betroffenen Person selbst zu führen.

 

Weiterführende Informationen:

 

Website des Bundessozialamts: http://www.bundessozialamt.gv.at

 

Website der Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation: http://www.oear.or.at

 

Literatur:  Die Einstellung macht’s; Tipps und  Informationen für Unternehmen zum

Behindertengleichstellungsrecht,  herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit,

Soziales und Konsumentenschutz und der WKÖ

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